Samstag, 24. Mai 2008

Flow – müheloses Aufgehen im Tun (aus: ZeitGeist 1/2006)

Ist es Ihnen schon einmal widerfahren, dass Sie beim Schreiben eins geworden sind mit dem entstehenden Text? Oder dass Sie beim Fahren auf der Autobahn entspannt und fast von selbst dahinglitten wie von einem unsichtbaren „Feld“ getragen? Oder beim Lesen eines spannenden Buches derart vertieft waren, dass die Welt um Sie herum aufhörte zu existieren?

Kinder kennen das In-sich-Versunkensein vom Spielen, für Sportler ist es das wünschenswerte Optimum. Wissenschaftler nennen den Zustand „Flow“ (von englisch fließen, schweben).

Einer, der ihn erforscht hat, ist der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi, Direktor des Quality of Life Center und Professor an der Claremont Graduate University in Kalifornien. Er erkannte, dass wir den Flow-Zustand nur selten beim Nichtstun oder im Urlaub erreichen, sondern vielmehr dann, wenn wir uns intensiv einer Arbeit oder schwierigen Aufgabe widmen. Auf Knopfdruck lasse er sich nicht abrufen, man könne allerdings die Voraussetzungen schaffen. Csikszentmihalyi identifizierte mehrere Kriterien, die dieses Phänomen charakterisieren, aber nicht alle zugleich auftreten müssen:
• Wir sind fähig, uns auf unser Tun zu konzentrieren, sind nicht abgelenkt und lassen uns nicht ablenken.
• Wir sind der Tätigkeit hinsichtlich unserer Fähigkeiten gewachsen. Es besteht eine Herausforderung, die jedoch nicht zu anspruchsvoll sein darf.
• Die Tätigkeit hat klare Ziele und wir wissen, wie diese zu erreichen sind.
• Die Tätigkeit ermöglicht unmittelbare Rückmeldung (richtig/falsch).
• Wir haben das Gefühl von Kontrolle über unsere Aktivität.
• Unsere Sorgen um uns selbst verschwinden. Dies kann als Ausweitung des Selbst über die Körpergrenzen hinweg erlebt werden. Es ist keine Zeit für Selbsterforschung – wir sind einfach.
• Unser Gefühl für Zeitabläufe ist verändert. Die Zeit scheint schneller zu vergehen oder stehen zu bleiben.

Diejenigen, die den Flow-Zustand erfahren haben, schildern ihn auf ganz unterschiedliche, oft gegensätzliche Weise: als Leichtigkeit, als Gefühl von Freiheit, Frieden, der Ruhe, als Gefühl des Losgelöst- oder Einsseins, als überraschendes Wohlgefühl, Fließen, Automatismus, Kraft, Ehrfurcht, Kontrolle, Ekstase, Im-Augenblick-Sein, als veränderte, übernatürliche Wahrnehmung oder ganz einfach als mystische Erfahrung. Ihnen allen gemein sei, so Csikszentmihalyi, dass Denken, Fühlen und Wollen in Übereinstimmung war, während sie der Tätigkeit nachgingen. Und wer einmal in diesen Zustand gelangt sei, werde ihn auch ein zweites Mal erleben – und immer wieder, betont er weiter.

Aus: ZeitGeist 1/2006

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