Sonntag, 20. Mai 2007

Massengesellschaft (Karl Jaspers)

Der Philosoph Karl Jaspers verstand Bildung als „Lebensform, die gekennzeichnet ist durch geistige Disziplin im Denkenkönnen und Denkenwollen auf der Grundlage geordneten Wissens, der Kenntnis von Sachen und Fakten, dem Zuhausesein in mehreren Sprachen, in Kunst und Literatur und in der Erkenntnis und Anerkenntnis allgemeingültiger Einsichten und Werte“.

Er stellte schon 1930 fest:
„Mit der nivellierenden Massengesellschaft verschwindet die Bildungsschicht, welche auf Grund kontinuierlicher Schulung eine Disziplin des Denkens und Fühlens entwickelt hat, aus der sie Widerhall für geistige Schöpfungen sein konnte.

Der Massenmensch hat wenig Zeit, lebt kein Leben aus dem Ganzen, will nicht mehr die Vorbereitung und Anstrengung ohne den konkreten Zweck, der sie in Nutzen umsetzt. Er will nicht warten und reifen lassen.

Alles muss sogleich gegenwärtige Befriedigung sein. Das Geistige ist zu augenblicklichen Vergnügungen geworden. Daher ist der Essay die geeignete Literaturform für alles, tritt die Zeitung an die Stelle des Buches, eine stets andere Lektüre an die Stelle der das Leben begleitenden Werke der Weltliteratur.
Man kann nicht mehr eigentlich lesen in geistigem Einswerden mit dem Gehalt.“

Wirklichkeitssinn versus Möglichkeitssinn (Utopie)

„Wenn man gut durch geöffnete Türen kommen will, muss man die Tatsache achten, dass sie einen festen Rahmen haben.

Dieser Grundsatz ist eine einfache Forderung des Wirklichkeitssinns. Wenn es aber Wirklichkeitssinn gibt, dann muss es auch etwas geben, was man Möglichkeitssinn nennen kann. Wer ihn besitzt, sagt nicht: Hier ist, wird, muss dies oder das geschehen, sondern er erfindet: Hier könnte, sollte oder müsste dies oder das geschehen. Und wenn man ihm erklärt, dass irgendetwas so sei, wie es sei, dann denkt er: Nun, es könnte auch anders sein.

So ließe sich der Möglichkeitssinn – besser bekannt als Phantasie, Erfindungsgabe, Einbildungs- oder Vorstellungskraft – als die Fähigkeit definieren, alles zu denken, was ebensogut sein könnte, und das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das, was nicht ist.“ (Robert Musil)

Samstag, 19. Mai 2007

Vision - entsteht nicht einfach aus dem Bauch heraus

Eine Vision setzt eine Re-Vision voraus – die Erfassung, Sichtung und Bewertung des im Jetzt Vorhandenen, das als Basis für den Sprung in die Zukunft dienen muss. Eine Vision – also ein langfristig tragendes Orientierungskonzept – kann nicht konstruiert oder imaginiert werden. Sie entsteht auch nicht einfach aus dem Bauch heraus. Eine Vision ist nicht die Weiterentwicklung des vorhandenen Wissens und Könnens, keine Prolongation des Bestehenden in die Zukunft, sondern sie ist ein neues, auf Intelligenz, Intuition und Inspiration beruhendes Zukunftsbild. Visionen sind die geistigen Schlüssel, mit denen sich die Black Box der Zukunft öffnen lässt.

Freitag, 18. Mai 2007

Bildung – Erkennen der Zusammenhänge

Die klassische Philosophie versteht Geist als die Fähigkeit des Menschen, sich und die Welt als Ganzes und im Zusammenhang miteinander wahrzunehmen und darüber zu reflektieren. Von einem Menschen, der durch Bildung zum Widerhall für geistige Schöpfungen geworden ist, ist zu erwarten, dass er nicht nur Durchblick, sondern grundlegende Einsichten hat, dass er nicht nur nach Kenntnissen, sondern nach Erkenntnissen strebt, dass er nicht nur die Teile sieht, sondern das Ganze.

Nach Karl Jaspers ist das Verschwinden des „gebildeten Unternehmers“ aus dem heutigen Wirtschaftleben eine sehr bedauerliche, aber offenbar unvermeidliche, weil systemimmanente Folge der heutigen Massengesellschaft. Sie hat für diesen Typus keine Verwendung mehr.

An seine Stelle tritt der eindimensional denkende, nur in seinem Aktionsbereich kompetente und nur nach seinen strengen Zielvorgaben handelnde Manager.